Hier können Sie den Artikel “Die Rechte von Frauen im Streit zwischen Menschenrechtsuniversalismus und Kulturrelativismus” von Sidonia Blättler aus dem Jahr 2004 herunterladen:
2004 blaettler_menschenrechte_-_frauenrechte tagung 2004
Dieser Artikel wurde als Vortrag auf unserer Jahrestagung in Köln am 13. November 2004 gehalten.
Den Beginn des Texts können Sie hier lesen:
In den letzen zwei Jahrzehnten sind die Menschenrechte zu einem Schlüsselbegriff unseres politischen Selbstverständnisses geworden. In den wissenschaftlichen wie in den politischen Diskussionen haben sie eine Vertiefung und Ausweitung erfahren, die unter anderem durch die vermehrte Berücksichtigung der Lebensrealitäten von Frauen und Kindern charakterisiert ist. Ein Beispiel dafür waren die erschütternden Berichte aus dem östlichen Sudan, die sich allerdings nur kurzzeitig in den Medien halten konnten. In ihnen wurden sexuelle Gewaltverbrechen gegen Frauen deutlich hervorgehoben und als Teil der systematischen Angriffe auf die Zivilbevölkerung interpretiert, die von Milizen und Regierungstruppen terrorisiert, vertrieben und gemordet wird. Parallel zur Ausweitung und Vertiefung jedoch sieht sich das traditionelle Menschenrechtsverständnis, wonach die Menschenrechte universell und unbedingt gelten, fortwährenden Infragestellungen ausgesetzt. Staaten verwehren sich gegen menschenrechtliche Kritik mit dem Verweis auf ihre Souveränität. Ihre Abwehr findet Unterstützung durch die Forderung nach Ankerkennung kultureller Selbstbestimmung, wie sie im Gefolge der Dekolonialisierungspolitik artikuliert wird, sowie durch kulturrelativistische Positionen, die besagen, dass alle Normen immer nur relativ zu einer bestimmten Kultur gelten und deshalb einzig aus der Perspektive dieser Kultur beurteilt werden können – und beurteilt werden dürfen.
Der Anspruch auf Differenz und kulturelle Autonomie betrifft die Menschenrechte von Frauen in besonderer Weise. Denn häufig wird das Geschlechterverhältnis als Kern der kulturellen Identität betrachtet. Und meist sind es die Frauen, die für die Bewahrung von Sitten und Gebräuchen einer Kultur hauptsächlich verantwortlich gemacht werden. In meinem Beitrag wird es darum gehen, dieses Spannungsfeld zwischen Menschenrechten von Frauen und dem Recht auf kulturelle Selbstbestimmung ein Stück weit zu analysieren. Der Vortrag ist in drei Teile gegliedert. Da die Beschreibung von Menschenrechtsverletzungen von Frauen davon abhängt, wie die Menschenrechte konzeptualisiert werden, beginne ich mit dem Begriff der Menschenrechte. In einem zweiten Teil frage ich, wie Frauenrechte verstanden werden sollen. Im dritten Teil diskutiere ich den Gedanken der kulturellen Identität und den Geltungsanspruch des Rechts auf kulturelle Selbstbestimmung.
Ich beginne also mit der Frage: Was sind Menschenrechte?