Möglichkeiten und Probleme in der Begutachtung von Flüchtlingen

Sehr geehrte Damen und Herren,
hier können Sie den Artikel “Möglichkeiten und Probleme in der
Begutachtung von Flüchtlingen” von Katarina Rafailovic, Hans Wolfgang Gierlichs und Elise Bittenbinder herunterladen:
rafailovic
Der Artikel ist in der Zeitschrift für Politische Psychologie im Jahr 2006 erschienen.
Hier können Sie die Zusammenfassung des Artikels lesen:
Zusammenfassung
Der Beitrag schildert im ersten Teil die Entwicklung der Begutachtungspraxis von PsychologInnen und MedizinerInnen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren und fasst die aktuelle Diskussion zu diesem Thema zusammen. Es folgt die Darstellung eines Begutachtungsprozesses, bei dem es zu einer für den Klienten gesundheitsförderlichen Kooperation zwischen dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und der Gutachterin/Therapeutin kam. Im zweiten Teil werden spezielle Problemfelder in der Begutachtungspraxis dargestellt: GutachterInnen in aufenthaltsrechtlichen Verfahren benötigen gute Kenntnisse unterschiedlicher Krankheitsbilder und ihrer kulturtypischen Ausformungen, unterschiedlicher kultureller Kommunikationsstile und der Arbeit mit Sprach- und KulturmittlerInnen. Sie müssen darüber hinaus in der Lage sein, unter schwierigen Bedingungen ein Vertrauensverhältnis herzustellen, in dem Opfer von Verfolgung und Gewalt ihre Erlebnisse berichten können. Schließlich müssen sie juristische Denkweisen und Begrifflichkeiten kennen und in der Lage sein, heilberufliche Erkenntnisse so zu formulieren, dass sie für Juristen nachvollziehbar sind. Ihre Arbeit erfolgt in einem von diffusen Überfremdungs- und Verlustängsten bestimmten gesellschaftlichen Umfeld, in dem eine humanitäre Offenheit für Asylsuchende oft als Bedrohung staatlicher Integrität wahrgenommen und abgelehnt wird. Um dies eindämmen ist Aufklärung darüber notwendig, dass staatliche Schutzfunktion und notwendige humanitäre Belange in Einklang gebracht werden können. Zusätzlich muss der Schutz verfolgter und traumatisierter Flüchtlinge gesetzlich klarer definiert werden, um Behörden zu entlasten und Konflikte zu begrenzen. Behörden und Heilberufler sollten sich auf verbindliche, transparente Standards für klinische Begutachtungen einigen. Die diagnostischen Ergebnisse nachweislich ausgebildeter und supervidierter Gutachterinnen und Gutachter sollten dann staatlicherseits nicht mehr in Frage gestellt werden.
Potentialities and Problems in the Medicolegal Assessment of Refugees
The article describes in the first part the development of the assessment practice of psychologists and physicians in connection with procedures relating to the right of residence and summarizes the current discussion on this topic. Then follows a description of an assessment process, where a health-promoting cooperation between the Federal Office for Migration and Refugees (BAMF) and the expert/therapist was reached for the client. In the second part, special problem areas in the assessment practice are presented: Experts involved in procedures relating to the right of residence must have a good knowledge of different clinical pictures and of their culturally typical shapings, of different cultural communication styles, and of the work with mediators of languages and cultures. In addition, they must be able to establish a relationship of personal trust under difficult conditions, within which victims of persecution and violence can report their experiences. Finally, they must be familiar with legal ways of thinking and with legal terms, and they must be able to formulate therapeutic or medical insights in such a way that they will be comprehensible for lawyers and judges. They have to do their work in a social environment, which is determined by vague fears of foreign infiltration and fears of loss, where any humanitarian openness for asylum-seekers is often perceived and rejected as a threat of public integrity. In order to contain this, information and educational work are required to make clear that the protective function of the state and necessary humanitarian concerns may be reconciled with each other. Additionally, the protection of persecuted and traumatized refugees has to be legally defined more clearly in order to relieve public authorities and to restrain conflicts. Public authorities and health professionals should agree upon binding, transparent standards for clinical assessments. The diagnostic results of any provably trained and supervised experts should then no longer be questioned by government agencies.