Hier können Sie den Artikel “Adoleszenz und Identitätsentwicklung von Jugendlichen in Flüchtlingsfamilien. Eine Annäherung” von Marie Rössel-Čunović aus dem Jahr 2006 herunterladen:
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Der Artikel erschien auch in: Zeitschrift für Politische Psychologie, Jg. 14, 2006, Nr. 1+2, S. 205-224
Die Zusammenfassung des Texts können Sie hier lesen:
Jugendliche aus Flüchtlingsfamilien, die ihre Eltern in unsere Beratungseinrichtung begleiten, wirken häufig sehr kompetent und verantwortungsvoll, besorgt um die Familienangehörigen, die an Traumafolgestörungen leiden. Sie sind die sprachlichen und kulturellen Vermittler und die Hoffnung ihrer Eltern. Nach außen hin unterscheiden sie sich kaum von ihren deutschen FreundInnen und haben dafür einen enormen Anpassungsprozess durchlaufen. Als Adoleszente befinden sie sich in einer Umbruchphase und einem verstärkten Identitätsbildungsprozess. Als Flüchtlinge müssen sie den Wechsel ihres gesamten Umfeldes, Sprachabbrüche sowie den Verlust von bisherigen Identifikationsmöglichkeiten bewältigen. Was während der Adoleszenz wichtig ist: Kontinuität in Zeit, Raum und Beziehungen – ist bei ihnen durch Diskontinuität bestimmt, durch dramatische Veränderungen auf allen Ebenen. In den Familien übernehmen sie oft die Rolle der Beschützer ihrer Eltern, die unter den Flucht- und Verfolgungserlebnissen leiden. Es findet eine besondere Form der „Parentifizierung“ statt, die dadurch verstärkt wird, dass ihnen vonseiten der Behörden in Deutschland keine Möglichkeit gegeben wird, durch einen sicheren Aufenthalt, durch Ausbildung und Beruf eigene Lebensziele zu verfolgen. Dadurch ist die Individuation als eine Hauptaufgabe der Adoleszenz in ihrer Realisierung gefährdet und langfristig auch die Entwicklung einer seelisch gesunden und reifen Persönlichkeit des Jugendlichen erschwert. Den Jugendlichen diese Möglichkeiten zu verwehren, läuft Menschenrechtskonventionen wie der UN-Kinderrechtskonvention zuwider, die auch von der Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet wurden.
Adolescence and Identity Development in Refugee Families
An initial appraisal Adolescents from refugee families who accompany their parents to our counselling centre frequently appear highly competent and responsible, concerned about their relatives who are suffering from the sequelae of trauma. They are the linguistic and cultural mediators and hopes of their parents. Outwardly they appear little different their German friends, but they have undergone an enormous adjustment process. As adolescents they are going through a phase of change and a process of intensified identity formation. As refugees they have to cope with a complete alteration of their environment, breaks in language development and the loss of previous opportunities for identification. For them, continuity in time, space and relationships, a factor that is important during adolescence, is affected by discontinuity and dramatic changes on all levels. In the families they often assume the role of protectors of their parents, who are suffering from their flight and persecution experiences. A special form of parentification takes place, which is intensified by the fact that by refusing them permanent leave to stay, the authorities in Germany are denying them the opportunity to pursue their own life goals through training and an occupation. Individuation, a major task of adolescence, is thus at risk and in the long term the development of a mentally healthy and mature personality is also hampered. To deny adolescents these opportunities violates human rights conventions such as the UN Convention on the Rights of the Child, to which the Federal Republic of Germany is also signatory.