Hier können Sie den Artikel “„Gerechtigkeit heilt“
Zur Bedeutung des Kampfes gegen Straflosigkeit für
die Stabilisierungsprognose bei Überlebenden
schwerer Menschenrechtsverletzungen” von Monira Rahman aus dem Jahr 2006 herunterladen:
n2006rauchfuss
Der Artikel erschien auch in: Zeitschrift für Politische Psychologie, Jg. 14, 2006, Nr. 1+2, S. 65-94
Die Zusammenfassung des Texts können Sie hier lesen:
Verschiedene Fallstudien zeigen, dass traumatisierte Flüchtlinge, Überlebende schwerer Menschenrechtsverletzungen, unter der in ihren Herkunftsländern andauernden Straflosigkeit leiden. Straflosigkeit – die Unmöglichkeit, Amnestiegesetze zu überwinden, die den Tätern Schutz bieten, unvollständige Wahrheitsfindung, fehlende integrale Entschädigung und der Mangel an notwendiger gesellschaftlicher Anerkennung – stellt für die Überlebenden schwerer Menschenrechtsverletzungen oft ein erhebliches Hindernis für ihre Stabilisierung dar. – Speziell aus Lateinamerika liegen zahlreiche Berichte über eine erhöhte psychische Verletzlichkeit von Überlebenden unter den Bedingungen der Straflosigkeit vor. Seelische Probleme, die aus traumatischen Erlebnissen herrühren, können persistieren oder durch bestimmte Ereignisse reaktiviert werden. Speziell Angehörige von in Haft Verschwundenen leiden unter einer nur unvollständigen Trauerarbeit, die sich aus dem unsicheren Schicksal ihrer Angehörigen ergibt. Die fortdauernde Suche nach den Verschwundenen unter Bedingungen der Straflosigkeit birgt ein hohes Retraumatisierungsrisiko für die Angehörigen.
Auch Studien aus anderen Kontinenten belegen, dass Straflosigkeit die seelische Gesundheit stark beeinträchtigen kann. – Verschiedene Versuche, die Wunden der Vergangenheit durch die Einsetzung von Wahrheitskommissionen oder einzelnen extraterritorialen Tribunalen zu schließen, konnten den global weit verbreiteten Charakter der Straflosigkeit nicht wirklich ändern. Daher gibt es derzeit nur wenige Nachweismöglichkeiten für den positiven Einfluss von Gerechtigkeit auf die seelische Gesundheit. Dennoch zeigen einige Beispiele aus Lateinamerika, dass das Zusammenwirken von Erinnerung, Wahrheitsfindung und Strafverfolgung der Täter einen stabilisierenden Einfluss auf diejenigen hat, die unter ihren traumatischen Erlebnissen leiden. Diese Beispiele zeigen, dass der Kampf gegen Straflosigkeit nicht nur ein legitimer moralischer Kampf für Menschenrechte ist, sondern auch eine Grundvoraussetzung für die nachhaltige Stabilisierung der Überlebenden darstellt.
„Justice heals“
The impact of the fight against impunity on the recovery of serious human rights violations’ survivors
Several case studies show that traumatized refugees, who are survivors of serious human rights violations, suffer from persisting impunity in their home countries. Ongoing impunity – the inability to overcome the legal protection of the perpetrators assured by impunity laws, incomplete truthfinding, missing integral reparation and a lack of the necessary acknowledgement by society – represents an important obstacle for the recovery of survivors of serious human rights violations. – Especially from Latin America there are reports describing that a high percentage of survivors show an elevated mental vulnerability caused by impunity. Mental health problems resulting from traumatic experiences can persist or be reactivated by certain events. In particular family members of forcibly disappeared suffer from an incomplete mourning due to the uncertain fate of their beloved ones. The ongoing search for the forcibly disappeared under an atmosphere of impunity puts family members under a high risk for retraumatization. Studies from other continents also prove, that impunity severely affects mental health. – The various attempts to heal the wounds of the past by establishing truth commissions, or few extraterritorial tribunals could not really change the widespread global character of impunity. Therefore there can be only little evidence about a positive impact of justice on mental health. Nevertheless few examples, in particular from Latin America show, that the combined implementation of memory, truth and justice can have a healing impact on those who suffer from trauma. They demonstrate that the fight against impunity is not only a legitimate moral struggle for human rights, but also a basic need for the sustainable recovery of survivors.