Hier können Sie den Artikel “Aussageverhalten von traumatisierten Flüchtlingen Eine Untersuchung zum Vorbringen des eigenen Verfolgungsschicksals im Rahmen des Asylverfahrens” von Michael Odenwald, Tobias Schmitt, Frank Neuner, Martina Ruf, Maggie Schaueraus dem Jahr 2006 herunterladen:
n2006odenwald
Der Aritkel erschien auch in: Zeitschrift für Politische Psychologie, Jg. 14, 2006, Nr. 1+2, S. 225-253
Die Zusammenfassung des Texts können Sie hier lesen:
Theoretischer Hintergrund: In der Erstanhörung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) werden Asylbewerber dazu aufgefordert, die Gründe ihrer Flucht anzugeben. Die psychologische Literatur zeigt, dass psychisch traumatisierte Asylbewerber aus störungsspezifischen Gründen hierbei nicht oder unzureichend über ihr Verfolgungsschicksal berichten können.
Fragestellungen: Welche soziodemographischen, verfolgungsbezogenen, psychischen und situativen Faktoren haben einen Einfluss auf die Berichterstattung über das eigene Verfolgungsschicksal in der Erstanhörung bei Asylbewerbern mit Posttraumatischer Belastungsstörung (PTBS)?
Methoden: Aus dem Archiv unserer Einrichtung wurden 52 Akten von Flüchtlingen mit PTBS ausgewählt, die ausführlich psychodiagnostisch untersucht worden waren, und anhand von inhaltsanalytischen und quantitativen Verfahren ausgewertet.
Ergebnisse: Es zeigte sich, dass folgende Variablen Prädiktoren für eine undetaillierte Berichterstattung in der Erstanhörung waren: ermordete oder verschwundene Familienmitglieder, das Bildungsniveau, eine erlittene Vergewaltigung, Verdacht auf eine schwere Kopfverletzung sowie politisch im Heimatland nie aktiv gewesen zu sein. Zudem zeigte sich ein korrelativer Zusammenhang zwischen der Detailliertheit des Berichtes und situativen Faktoren der Erstanhörung.
Schlussfolgerungen: Soziodemografische, medizinische und psychopathologische Faktoren sowie Gegebenheiten der Verfolgungsgeschichte können dazu führen, dass traumatisierte Asylbewerber mit PTBS in der Erstanhörung gar nicht oder nur in vagen Andeutungen über im Herkunftsland erlittene Verfolgung berichten und damit gegen die Mitwirkungspflicht verstoßen, was sich auf das Asylverfahren negativ auswirkt. Im Asylverfahren sollte dieser Gruppe besser Rechnung getragen werden.
Abstract
Background: In the first hearing in the federal migration office, asylum seekers are asked to report in detail all aspects of the political persecution they had experienced in their home countries (disclosure requirement). The psychological literature shows that refugees with Posttraumatic Stress Disorder (PTSD) have difficulties to report in detail on the persecution they had experienced due to specific symptoms related to the disorder.
Objective: To address the question, which sociodemographic, psychological, persecution- related and situational factors influence the report of experienced persecution in the first hearing in asylum seekers with PTSD.
Methods: Fifty-two files of asylum seekers with PTSD, who had participated in an indepth psycho-diagnostic interview, were chosen out of our archive. The analysis included content analytic and quantitative methods.
Results: The predictors for non-disclosure or insinuation only in the first hearing were: the existence of killed or disappeared family members, low level of education, being a rape victim, suspected traumatic brain injury, and whether the person has never been politically active in the country of origin. Additionally, we found a correlation between situational factors of the hearing and level of detail in the report of the asylum seekers.
Conclusion: Sociodemographic, medical, psychopathological and persecution-related factors can explain why asylum seekers with PTSD conceal the experienced persecution in the first hearing and, thereby, offend against the German asylum law with negative consequences for the asylum process. The German asylum procedure needs to take better care of this group of asylum seekers.